Stell dich tot by Heaberlin Julia

Stell dich tot by Heaberlin Julia

Autor:Heaberlin, Julia [Heaberlin, Julia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783423215268
Google: dTkKBAAAQBAJ
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2014-07-23T20:00:00+00:00


18.

Wie heiße Nadeln prickelte das Wasser der Luxus-Massagedusche des Hotels über meinen Rücken. Rosalina und ich hatten uns in Anbetracht der Umstände sehr nett voneinander verabschiedet – nicht als Freunde, aber auch nicht als Feinde.

Sie schien damit zufrieden, dass ich es bei Anthony Marchetti zumindest versuchen würde. Ich hatte keine Versprechungen gemacht, den Finger aber sorgfältig in meiner Handtasche verstaut.

Den Gedanken, das Kästchen zu öffnen, fand ich unerträglich, erst recht unter ihren Augen.

Verlassen durfte ich das Anwesen über die gewundene Einfahrt, viel weniger dramatisch als ich es betreten hatte. Ich war zwei Minuten zu spät, aber der Taxifahrer wartete noch.

Trotz aller Ungereimtheiten gab es viele übereinstimmende Details in Jacks und Rosalinas Geschichten, die unmöglich zu ignorieren waren. Ich drehte mich um und hielt mein Gesicht unter den heißen Wasserstrahl, und meine Gedanken wanderten zu Sadie und unserem Gespräch gestern im Krankenhaus.

Ich war hingegangen, um nach Mama zu sehen, aber eigentlich brauchte ich eher Trost von meiner kleinen Schwester, bevor ich nach Chicago aufbrach. Ich wollte von Sadie hören, dass alles gut werden würde. Wir setzten uns in eine Sitznische in der Krankenhaus-Cafeteria, nahmen uns jede einen starken schwarzen Kaffee, den Rest, der noch in der Kanne war, und teilten uns ein Stück trockenen Zitronen-Rührkuchen, den nur ein paar Tropfen weiße Glasur halbwegs retteten.

Ich erzählte ihr alles: von meinem Besuch im Gefängnis bei Anthony Marchetti; alle Details des ungelösten Mordes an Jennifer Coogan; von dem kleinen Mädchen mit meiner Sozialversicherungsnummer, das auf einem Friedhof in Chicago lag; von dem gemailten Foto von Alyssa Bennett, die vor über dreißig Jahren mit ihrer gesamten Familie bei dem Mafia-Massaker umgekommen war; von den fast komischen Warnungen durch die piepsige Gattenmörderin im Todestrakt. Von meiner Sorge, dass Jack Smith nicht der war, für den er sich ausgab.

»Drei kleine Mädchen«, sann Sadie, während sie die letzten Krümel mit der Gabel auftippte. »Wenn man Rosalinas vermisste Tochter mitzählt.« Der Gedanke, es so zu betrachten, war mir noch nicht gekommen. Sadie gelang es immer, die Welt in ein leicht anderes Licht zu rücken und meinen Blickwinkel zu verändern.

Ihre langen Beine hatte sie auf ihrer Sitzbank ausgestreckt. Sie trug ein eng anliegendes weißes T-Shirt, Hüftjeans mit einem verzierten Westerngürtel, braune Flip-Flops von Reef und dank Maddie pinkfarbene Zehennägel mit kleinen Gänseblümchen drauf. In ihren Ohren silberne Ringe, keine Spur von Make-up außer etwas schwarzem Eyeliner. Sie fuhr sich immer wieder mit den Fingern durch das kurze wilde Haar, ihre großen blauen Augen sahen müde aus. Trotzdem konnte der Junge, der zwei Tische weiter den Fußboden wischte, nicht die Augen von ihr lassen.

Sie strahlte einen Zauber aus. Vielleicht war das ein Fluch, der auf den McCloud-Frauen lag – oder auf denen, die ihnen über den Weg liefen.

Später lag Mama reglos zwischen uns in dem um vierzig Grad geneigten Krankenhausbett, vollgepumpt mit Medikamenten, durch einen zentralen Venenkatheter ernährt, ihre Herztätigkeit als endloses Zackenmuster auf einem Monitor. Sie war zu jung, um so zu enden. Es gab Menschen, deren Schicksal es war, den wichtigsten Teil ihres Lebens in einer kurzen, aber unendlich intensiven Zeitspanne zu durchleben.



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